Der Kreistag des Weimarer Landes hat in seiner Sitzung am 24.06.21 den Initiativantrag von Rot-Rot-Grün für die Schaffung eines Jugendbeteiligungsgremiums im Weimarer Land leider abgelehnt, wie die TA berichtete. Es ist der zweite Versuch innerhalb des letzten Jahres im Landkreis Jugendbeteiligung auch institutionell zu verankern, der nun scheitert. Vorausgegangen war dem aktuellen Antrag die Novelle der Thüringer Kommunalordnung, die auch den Kreis dazu verpflichtet, geeignete Verfahren der Jugendbeteiligung zu schaffen, und sie bei Entscheidungen, die ihr Lebensumfeld betreffen, angemessen anzuhören.
Persönlich bedauere ich die ablehnende Haltung der Kreistagsmehrheit und positioniere mich deutlich pro institutionelle Jugendbeteiligungsstrukturen. Auch die Kreistagsdebatte scheint, so wie es die TA widergegeben hat, deutlich an den Belangen der jungen Generation vorbei gegangen zu sein.
Ein Jugendbeteiligungsgremium, wie z.B. ein Jugendparlament hat viele Vorteile, sowohl für Jung als auch Alt. Erstens ist es eine Möglichkeit, die immer größer werdende Lücke zwischen Gesellschaft, insbesondere der jungen Generation, und Politik zu schließen. Junge Menschen lernen hautnah, wie demokratische Prozesse ablaufen, erhalten ein Verständnis für Abwägungsprozesse, die Politiker tagtäglich treffen müssen. Damit ist ein Jugendparlament in erster Linie ein Programm der politischen Bildung. Zu viele Menschen wissen heute nicht, wie ein Kreistag funktioniert, wofür er überhaupt zuständig ist und auf welchen Ebenen Politik stattfindet. Wir erwarten, dass Jugendliche mit dem 18. Lebensjahr sofort mündige Wählerinnen und Wähler sind, obwohl sie mal abgesehen von ein paar Sozialkundestunden häufig nur wenig Kontakt zur Politik hatten. Demokratie muss man lernen. Das sehen wir auch bei vielen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die aus Unwissenheit oder auch einfach Ignoranz zur Verrohung von Debatten und Politikverdrossenheit beitragen.
Es ist richtig, Jugendbeteiligung sollte zuerst vor Ort stattfinden und auch politisches Engagement in Parteien darf man nicht verteufeln. Beides spricht aus meiner Sicht aber nicht gegen ein Jugendparlament. Erst durch meine Mitgliedschaft im Jenaer Jugendparlament habe ich mich dazu entschlossen, einer Partei beizutreten, weil ich erstmals direkt erlebt habe, wie Politik funktioniert. Deshalb muss aus meiner Sicht beides stattfinden: Beteiligungsprozesse vor Ort etablieren und Jugendbeteiligungsgremien auf Kreisebene schaffen. Durch ein kreisweites Jugendparlament erhalten Jugendliche optimale Rahmenbedingungen, um sich zu organisieren, zu vernetzen und ernsthaft politische Debatten zu führen. Damit ist ein Jugendparlament weder ein Alibi-Gremium noch schafft man damit eine Parallel-Instanz zum Kreistag. Denn klar ist, der Kreistag entscheidet am Ende. Stattdessen bauen Jugendbeteiligungsgremien Brücken zwischen zwei bisher völlig verschiedenen Welten. Und das ist bitter nötig. Wenn wir uns die Wahlbeteiligung der 18 bis 24-Jährigen oder die Überalterung von Parteien und Parlamenten anschauen, dann muss uns das zwingend alarmieren. Setzen sich die aktuellen Trends fort, wird es in Zukunft für extremistische und verfassungsfeindliche Strömungen ein leichtes sein, unsere Demokratie zu kapern. Es hat den Anschein, dass die Demokratie an Bindungs- und Strahlkraft verloren hat. Ein Jugendparlament wäre ein nützliches Mittel, um diesen Trend ernsthaft zu bekämpfen.
Nicht zuletzt schaffen Jugendbeteiligungsverfahren beidseitiges Verständnis für die Belange der Jugendlichen und die Zwänge der Politik. Das solche Formate funktionieren, sehen wir auch schon im Weimarer Land zum Beispiel bei Seniorenbeiräten oder den Vertretern der freien Jugendhilfe im Jugendhilfeausschuss, die dort ihre ganz persönlichen Erfahrungen aus ihrem Arbeits- und Lebensumfeld einbringen sollen. Warum lernen wir nicht die Perspektive und die Erfahrungen der Jugend im gleichen Maß schätzen?